Historisches

Gymnasium im Schloss – ein ungewöhnlicher Name für eine Schule. Auf der einen Seite ein wenig einfallslos, auf der anderen Seite der mit gewissem Stolz gepaarte Hinweis auf die noble Herberge der Schule: im Schloss, nicht am Schloss. Zwar regierte unter den Herzögen zu Braunschweig-Lüneburg, die hier seit 1432 die alte Burg und die dazugehörige Siedlung zu einer Residenz- und Festungsstadt ausbauten, so mancher kulturbeflissener Landesfürst. Zwar gibt es wohl in Deutschland keine zweite Residenz, in der die Herzog-August-Bibliothek gleichrangig neben dem (dereinst waffenklirrenden) Zeughaus steht. Doch hätte wohl keiner der Regenten es für möglich gehalten, dass sein Schloss dereinst eine „Bürgerschule“ beherbergen würde.

Hätte nicht der Hof 1753/54 Wolfenbüttel den Rücken gekehrt – das hat man in der Stadt den Fürsten bis heute nicht verziehen –, um wieder ins benachbarte Braunschweig zu ziehen, wäre dies wohl auch nicht geschehen.

So konnte seit 1866 Anna Vorwerk, eine junge und dynamische Wolfenbütteler Bürgerstochter, in einigen Räumen des Schlosses einen Kindergarten betreiben, aus dem in den nächsten Jahren eine Mädchenschule mit Lehrerinnen-Seminar und weiteren Einrichtungen erwuchs. Später führte die Bildungseinrichtung allgemein den Namen „Schlossanstalten“.
Neben den Schülerinnen aus Wolfenbüttel und Braunschweig, die den Großteil ausmachten, kamen weitere aus Hannover und anderen preußischen Provinzen, gar aus ganz Deutschland und vorwiegend dem europäischen Ausland. Die „Schlossanstalten“ strahlten weit über das provinzielle Wolfenbüttel hinaus.

Die „Schlossanstalten“ waren zunächst rein privat organisiert. 1878 wurde vom Vorstand ein Antrag auf staatliche Unterstützung gestellt, da auf privater Basis kaum qualifizierte Lehrkräfte gefunden werden konnten. Damit war ein neuer Weg beschritten, der in der Weimarer Republik seinen vorläufigen Abschluss fand: die Überführung der privaten „Schlossanstalten“ in eine staatliche Schule.

Nach dem Tod ihrer Gründerin und tatkräftigen Förderin Anna Vorwerk am 18. November 1900 wurden die Anstalten 1902 in eine Stiftung umgewandelt. Im Ersten Weltkrieg hatte die Schule mit üblichen Problemen zu kämpfen. Die männlichen Lehrkräfte waren zumeist an die Front abberufen. 1913 wurde im Schloss neben dem vorhandenen privaten Lyzeum eine Mittelschule für Mädchen eingerichtet, die 1922 die Stadt Wolfenbüttel übernahm. Seitens der Braunschweigischen Staatsregierung bestand nämlich zunächst kein Interesse, Lyzeum und Oberlyzeum weiterzuführen, doch bald war davon nicht mehr die Rede. Die „Schlossanstalten“ waren unter dem Namen „Anna-Vorwerk-Oberschule“ eine staatliche Oberschule für Mädchen geworden.

Bereits 1928 legten die ersten Mädchen ein vollwertiges Abitur mit Hochschulreife am „Anna-Vorwerk-Oberlyzeum“ ab. Mit einer Unterbrechung von 1935 bis 1946 ist die Schule bis heute durchgehend ein Gymnasium geblieben. Im Schuljahr 1969/70 erfolgte die Namensänderung von Anna Vorwerk-Schule zu Gymnasium im Schloss mit Einführung der Koedukation.

Der Erfolg des Gymnasiums und später auch die Angliederung der Orientierungsstufe im Jahr 2004 machten zahlreiche Erweiterungen und Ergänzungen im baulichen Bereich notwendig. Nach einer vorübergehenden Unterbringung der Jahrgänge 5 und 6 in der Wallstraße (dem Gebäude der heutigen IGS) konnte 2014 der Neubau, das Spiegelschloss, eingeweiht werden, in dem der Jahrgang fünf und einige Klassen des Jahrgangs sechs sowie die Fachbereiche Musik, Chemie und Informatik und eine Mensa mit Terrasse untergebracht sind.

Um die von Stadt und Schule vereinbarte Fünfzügigkeit in allen Jahrgängen auch nach der Wiedereinführung der neunjährigen Schulzeit am Gymnasium weiterhin dauerhaft auf modernstem technischen Stand gewährleisten zu können, plant die Stadt Wolfenbüttel einen weiteren Ergänzungsbau an der Stelle der heutigen Biologie. Damit kann die bisher von der Schule genutzte ehemalige Landwirtschaftsschule für eine neue Verwendung freigegeben werden, und die provisorischen Container, in denen der Jahrgang 11 untergebracht ist, werden der Vergangenheit angehören.